[PDF] Gerhart Hauptmann - Bahnwärter Thiel





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Gerhart Hauptmann Bahnwärter Thiel

Bahnwärter Thiel. Novellistische Studie aus dem märkischen Kiefernforst von Gerhard Hauptmann. (Zürich.) Page 6. Page 7. I. Allsonntäglich saß der Bahnwärter 



Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel

03.05.2017 Mit dem Erscheinen des Bahnwärter Thiel leitet. Hauptmann neben Autoren wie Arno Holz und Jo- hannes Schlaf



Gerhart Hauptmann Bahnwärter Thiel

07.07.2017 Zu Hauptmanns Erzählung Bahnwärter Thiel gibt es bei Reclam. – einen ... Allsonntäglich saß der Bahnwärter Thiel in der Kirche zu Neu-Zittau ...



Lektüre-Quiz: Hauptmann Bahnwärter Thiel Lektüre-Quiz: Hauptmann Bahnwärter Thiel

Sie wollen feststellen wie genau Ihre Schüler Gerhard. Hauptmanns Novelle „Bahnwärter Thiel“ gelesen haben? Oder. Sie wollen – etwa im Rahmen der 



Leistungsaufgabe zu „Bahnwärter Thiel“ von Gerhart Hauptmann

Im Fokus der Unterrichtssequenz steht Gerhart Hauptmanns Novelle „Bahnwärter Thiel“. Da es sich um ein komplexes Thema handelt bei dem selbstverständlich auch 



Gerhart Hauptmann Bahnwärter Thiel

« Thiels Frau war im Wochenbett gestorben und der Junge



Finanziell verpflichtet geistlich verbunden und zur Katastrophe Finanziell verpflichtet geistlich verbunden und zur Katastrophe

Jahrhundert große Fortschritte für die. Menschen Europas bedeutete wird sie in dem Buch Bahnwärter Thiel von Gerhart Hauptmann aus einer anderen Perspektive 



Deutsch – Bahnwärter Thiel

Deutsch – Bahnwärter Thiel. Figurenkonstellation. Entwicklung Thiel. Wohnung in. Schön-Schornstein. • Lene. • Säugling. Bahnwärterhaus. • Minna. • Tobias.



Spannungsfelder in Hauptmanns Bahnwärter Thiel Germanistik

3 Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel. Stuttgart 1986 S. 1



Lektüre-Quiz: Hauptmann Bahnwärter Thiel

Sie wollen feststellen wie genau Ihre Schüler Gerhard. Hauptmanns Novelle „Bahnwärter Thiel“ gelesen haben? Oder. Sie wollen – etwa im Rahmen der 



Gerhart Hauptmann Bahnwärter Thiel

Bahnwärter Thiel. Novellistische Studie aus dem märkischen Kiefernforst von Gerhard Hauptmann. (Zürich.) 



Gerhart Hauptmann Bahnwärter Thiel

Zu Hauptmanns Erzählung Bahnwärter Thiel gibt es bei Reclam. – einen Lektüreschlüssel XL für Schülerinnen und Schüler. (Nr. 15456).



Gerhart Hauptmann Bahnwärter Thiel Eine novellistische Studie

Bahnwärter Thiel. Eine novellistische Studie. Novelle: gerine Personenzahl geringe Textlänge kurze Exposition. Dingsymbol (Eisenbahn Symbol ? Leitfaden 



Finanziell verpflichtet geistlich verbunden und zur Katastrophe

Notwendigkeit und die Gefahr der Arbeit in Bahnwärter Thiel Menschen Europas bedeutete wird sie in dem Buch Bahnwärter Thiel von Gerhart Hauptmann.



Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel

Thiel versagt als Vater 14. Thiels innere Unruhe 15. Zugunglück 15. Doppelmord 17. 3. Figuren 18. Bahnwärter Thiel 20. Minna 22. Lene 23. Tobias 25.



Leistungsaufgabe zu „Bahnwärter Thiel“ von Gerhart Hauptmann

Wenn Thiel Nachtdienst hat veranstaltet er häufig „Gottesdienste“ für seine. Frau Lene. Page 5. Illustrierende Aufgaben zum LehrplanPLUS. Realschule



Gerhart Hauptmann Bahnwärter Thiel

Allsonntäglich saß der Bahnwärter Thiel in der Kirche zu. NeuZittau ausgenommen die Tage



Gerhart Hauptmann - Bahnwärter Thiel

Nachwort von Fritz Martini. Philipp Reclam jun. Stuttgart. Erläuterungen und Dokumente zu Hauptmanns Bahnwärter Thiel liegen unter Nr. 8125 in. Reclams 



Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Das komplette Material finden Sie hier: Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel.

Gerhart Hauptmann

Novellistische Studie

2

Nachwort von Fritz Martini

Philipp Reclam jun. Stuttgart

liegen unter Nr. 8125 in

Reclams Universal-Bibliothek vor.

M. Für Schüler:

Universal-Bibliothek Nr. 15314

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 6617

Alle Rechte vorbehalten

© für diese Ausgabe 1970 Philipp Reclam jun. GmbH & Co.,

Stuttgart

© 1963 Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt am Main und Berlin Umschlagabbildung: Der Eilzug. Zeichnung von Lyonel Feinin- ger, um 1908-10. © VG Bild-Kunst, Bonn

Durchgesehene Ausgabe 2001

auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibregeln Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Printed in Germany 2005

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene

Marken der Philipp Reclam. jun. GmbH & Co., Stuttgart

ISBN 3-15-006617-4

www.reclam.de 3 I

Kirche zu Neu-Zittau, ausgenommen die Tage,

an denen er Dienst hatte oder krank war und zu

Bette lag. Im Verlaufe von zehn Jahren war er

zwei Mal krank gewesen; das eine Mal infolge

Vorbeifahrens herabgefallenen Stückes Kohle,

welches ihn getroffen und mit zerschmettertem

Bein in den Bahngraben geschleudert hatte; das

andere Mal einer Weinflasche wegen, die aus dem vorüberrasenden Schnellzuge mitten auf seine Brust geflogen war. Außer diesen beiden bald er frei war, von der Kirche fernzuhalten.

Die ersten fünf Jahre hatte er den Weg von

herüber nach Neu-Zittau allein machen müssen.

Frauenzimmers erschienen, die, wie die Leute

meinten, zu seiner herkulischen Gestalt wenig

Sonntagnachmittags reichte er dieser selben Per-

son am Altare der Kirche feierlich die Hand zum 4 Bunde fürs Leben. Zwei Jahre nun saß das junge, zarte Weib ihm zur Seite in der Kirchenbank; zwei Jahre blickte ihr hohlwangiges, feines Ge-

An einem der vorangegangenen Wochentage hat-

form waren so blank geputzt als je zuvor, seine scheitelt wie immer, nur dass er den breiten, be- haarten Nacken ein wenig gesenkt trug und noch eifriger der Predigt lauschte oder sang, als er es früher getan hatte. Es war die allgemeine An- sicht, dass ihm der Tod seiner Frau nicht sehr nahegegangen sei; und diese Ansicht erhielt eine

Jahres zum zweiten Male, und zwar mit einem

dicken und starken Frauenzimmer, einer Kuh- magd aus Alte-Grund, verheiratete. 5

Auch der Pastor gestattete sich, als Thiel die

Trauung anzumelden kam, einige Bedenken zu

»Mit der Toten kann ich nicht wirtschaften, Herr

Prediger!"

»Nun ja wohl. Aber ich meine - Ihr eilt ein we- nig." »Der Junge geht mir drauf, Herr Prediger."

Thiels Frau war im Wochenbett gestorben, und

der Junge, welchen sie zur Welt gebracht, lebte und hatte den Namen Tobias erhalten.

»Ach so, der Junge", sagte der Geistliche und

machte eine Bewegung, die deutlich zeigte, dass er sich des Kleinen erst jetzt erinnere. »Das ist etwas andres - wo habt Ihr ihn denn untergeb- übergeben, die ihn einmal beinahe habe verbren- rem Schoß auf die Erde gekugelt sei, ohne glück- licherweise mehr als eine große Beule davonzut- und ferner, weil er der Verstorbenen in die Hand gelobt, für die Wohlfahrt des Jungen zu jeder 6

Zeit ausgiebig Sorge zu tragen, habe er sich zu

dem Schritte entschlossen. - durchaus nichts einzuwenden. Die frühere Kuh- war kaum einen halben Kopf kleiner als er und übertraf ihn an Gliederfülle. Auch war ihr Ge- sicht ganz so grob geschnitten wie das seine, nur

Seele abging.

Wenn Thiel den Wunsch gehegt hatte, in seiner

zweiten Frau eine unverwüstliche Arbeiterin, eine musterhafte Wirtschafterin zu haben, so war dieser Wunsch in überraschender Weise in Erfül- lung gegangen. Drei Dinge jedoch hatte er, ohne es zu wissen, mit seiner Frau in Kauf genommen: eine harte, herrschsüchtige Gemütsart, Zanksucht und brutale Leidenschaftlichkeit. Nach Verlauf eines halben Jahres war es ortsbekannt, wer in Es sei ein Glück für »das Mensch", dass sie so ein gutes Schaf wie den Thiel zum Manne be- 7 anlaufen würde. So ein »Tier" müsse doch kirre zu machen sein, meinten sie, und wenn es nicht müsse sie werden, aber dann gleich so, dass es

Sie durchzuwalken aber war Thiel trotz seiner

sehnigen Arme nicht der Mann. Das, worüber sich die Leute ereiferten, schien ihm wenig

Kopfzerbrechen zu machen. Die endlosen Pre-

über sich ergehen, und wenn er einmal antworte- te, so stand das schleppende Zeitmaß sowie der leise, kühle Ton seiner Rede in seltsamstem Ge- gensatz zu dem kreischenden Gekeif seiner Frau.

Die Außenwelt schien ihm wenig anhaben zu

mit Gutem aufgewogen erhielt.

Trotz seines unverwüstlichen Phlegmas hatte er

doch Augenblicke, in denen er nicht mit sich

Dinge, die Tobiaschen betrafen. Sein kindgutes,

nachgiebiges Wesen gewann dann einen Ans- 8 res Gemüt wie das Lenens nicht entgegenzutre- ten wagte.

Die Augenblicke indes, darin er diese Seite sei-

nes Wesens herauskehrte, wurden mit der Zeit immer seltener und verloren sich zuletzt ganz.

Ein gewisser leidender Widerstand, den er der

entgegengesetzt, verlor sich ebenfalls im zwei- ten. Er ging nicht mehr mit der früheren Gleich- gültigkeit zum Dienst, nachdem er einen Auftritt tigt hatte. Er ließ sich am Ende nicht selten he- rab, sie zu bitten, doch wieder gut zu sein. -

Nicht wie sonst mehr war ihm sein einsamer Pos-

liebster Aufenthalt. Die stillen, hingebenden Ge- danken an sein verstorbenes Weib wurden von denen an die Lebende durchkreuzt. Nicht wider- willig, wie die erste Zeit, trat er den Heimweg an, sondern mit leidenschaftlicher Hast, nachdem er vorher oft Stunden und Minuten bis zur Zeit

Er, der mit seinem ersten Weibe durch eine mehr

vergeistigte Liebe verbunden gewesen war, ge- riet durch die Macht roher Triebe in die Gewalt 9 seiner zweiten Frau und wurde zuletzt in allem fand er Gewissensbisse über diesen Umschwung der Dinge, und er bedurfte einer Anzahl außer- und die Bahnstrecke, die er zu besorgen hatte, insgeheim gleichsam für geheiligtes Land, wel- ches ausschließlich den Manen der Toten ge- widmet sein sollte. Mit Hilfe von allerhand Vor- seine Frau davon abzuhalten, ihn dahin zu be- gleiten. schlagen sollte, um seine »Bude", deren Num- mer sie nicht einmal kannte, aufzufinden.

Dadurch, dass er die ihm zu Gebote stehende

Zeit somit gewissenhaft zwischen die Lebende

und die Tote zu teilen vermochte, beruhigte Thiel sein Gewissen in der Tat.

Oft freilich und besonders in Augenblicken ein-

samer Andacht, wenn er recht innig mit der Ver- storbenen verbunden gewesen war, sah er seinen 10 jetzigen Zustand im Lichte der Wahrheit und empfand davor Ekel. tiger Verkehr mit der Verstorbenen auf eine

Menge lieber Erinnerungen aus der Zeit seines

Zusammenlebens mit ihr. Im Dunkel jedoch,

wenn der Schneesturm durch die Kiefern und über die Strecke raste, in tiefer Mitternacht beim schen zur Kapelle.

Eine verblichene Photographie der Verstorbenen

vor sich auf dem Tisch, Gesangbuch und Bibel aufgeschlagen, las und sang er abwechselnd die lange Nacht hindurch, nur von den in Zwischen- chen, und geriet hierbei in eine Ekstase, die sich zu Gesichten steigerte, in denen er die Tote leib- haftig vor sich sah.

Jahre ununterbrochen innehatte, war aber in sei-

ner Abgelegenheit dazu angetan, seine mysti-

Nach allen vier Windrichtungen mindestens

durch einen dreiviertelstündigen Weg von jeder menschlichen Wohnung entfernt, lag die Bude 11 inmitten des Forstes dicht neben einem Bahn- nen hatte.

Im Sommer vergingen Tage, im Winter Wochen,

ohne dass ein menschlicher Fuß, außer denen des sierte. Das Wetter und der Wechsel der Jahres- zeiten brachten in ihrer periodischen Wiederkehr ßigen Ablauf der Dienstzeit Thiels außer den en unschwer zu überblicken. Vor vier Jahren war der kaiserliche Extrazug, der den Kaiser nach Breslau gebracht hatte, vorübergejagt. In einer

Winternacht hatte der Schnellzug einen Rehbock

überfahren. An einem heißen Sommertage hatte

Thiel bei seiner Streckenrevision eine verkorkte

Weinflasche gefunden, die sich glühend heiß an- fasste und deren Inhalt deshalb von ihm für sehr gut gehalten wurde, weil er nach Entfernung des augenscheinlich gegoren war. Diese Flasche, von

Thiel in den seichten Rand eines Waldsees ge-

legt, um abzukühlen, war von dort auf irgend- 12 welche Weise abhanden gekommen, sodass er noch nach Jahren ihren Verlust bedauern musste. oder Telegraphenarbeiter einen Trunk daraus,

Tobias entwickelte sich nur langsam; erst gegen

Ablauf seines zweiten Lebensjahres lernte er

notdürftig sprechen und gehen. Dem Vater be- wies er eine ganz besondere Zuneigung. Wie er des Vaters wieder. In dem Maße, wie diese zu- nahm, verringerte sich die Liebe der Stiefmutter zu Tobias und schlug sogar in unverkennbare

Abneigung um, als Lene nach Verlauf eines neu-

en Jahres ebenfalls einen Jungen gebar. Von da ab begann für Tobias eine schlimme Zeit.

Er wurde besonders in Abwesenheit des Vaters

im Dienste des kleinen Schreihalses einsetzen, 13 wobei er sich mehr und mehr aufrieb. Sein Kopf brandroten Haare und das kreidige Gesicht dar- würdigen Eindruck. Wenn sich der zurückge- bliebene Tobias solchergestalt, das kleine, von

Gesundheit strotzende Brüderchen auf dem Ar-

me, hinunter zur Spree schleppte, so wurden hin- ter den Fenstern der Hütten Verwünschungen laut, die sich jedoch niemals hervorwagten. Thiel aber, welchen die Sache doch vor allem anging, schien keine Augen für sie zu haben und wollte auch die Winke nicht verstehen, welche ihm von wohlmeinenden Nachbarsleuten gegeben wur- den.

An einem Junimorgen gegen sieben Uhr kam

Thiel aus dem Dienst. Seine Frau hatte nicht so

bald ihre Begrüßung beendet, als sie schon in gewohnter Weise zu lamentieren begann. Der

Pachtacker, welcher bisher den Kartoffelbedarf

der Familie gedeckt hatte, war vor Wochen ge- kündigt worden, ohne dass es Lenen bisher ge- lungen war, einen Ersatz dafür ausfindig zu ma- 14 chen. Wenngleich nun die Sorge um den Acker als er daran schuld sei, wenn man in diesem Jah- re zehn Sack Kartoffeln für schweres Geld kau- fen müsse. Thiel brummte nur und begab sich,

Lenens Reden wenig Beachtung schenkend, sog-

leich an das Bett seines Ältesten, welches er in teilte. Hier ließ er sich nieder und beobachtete mit einem sorglichen Ausdruck seines guten Ge- sichts das schlafende Kind, welches er, nachdem er die zudringlichen Fliegen eine Weile von ihm abgehalten, schließlich weckte. In den blauen, tiefliegenden Augen des Erwachenden malte sich eine rührende Freude. Er griff hastig nach der

Hand des Vaters, indes sich seine Mundwinkel

ter half ihm sogleich beim Anziehen der wenigen

Schatten durch seine Mienen lief, als er bemerk-

te, dass sich auf der rechten, ein wenig ange- schwollenen Backe einige Fingerspuren weiß in rot abzeichneten. 15 auf vorberegte Wirtschaftsangelegenheit zurück- kam, schnitt er ihr das Wort ab mit der Nach- richt, dass ihm der Bahnmeister ein Stück Land geblich weil es ihm, dem Bahnmeister, zu abge- legen sei. und nach wichen jedoch ihre Zweifel, und nun geriet sie in merklich gute Laune. Ihre Fragen fuhr, dass bei alledem noch zwei Zwergobst-

Als nichts mehr zu erfragen übrig blieb, zudem

gesagt, in jedem einzelnen Hause des Ortes ver- sie davon, um die Neuigkeit im Örtchen auszusp- rengen. bias. Der Junge saß auf seinen Knien und spielte 16 mit einigen Kiefernzapfen, die Thiel mit aus dem

Walde gebracht hatte.

»Was willst du werden?", fragte ihn der Vater,

und diese Frage war stereotyp wie die Antwort des Jungen: »Ein Bahnmeister." Es war keine hegte allen Ernstes den Wunsch und die Hoff- nung, dass aus Tobias mit Gottes Hilfe etwas

Antwort »Ein Bahnmeister" von den blutlosen

Lippen des Kleinen kam, der natürlich nicht

wusste, was sie bedeuten sollte, begann Thiels von innerer Glückseligkeit. »Geh, Tobias, geh spielen!", sagte er kurz dar- auf, indem er eine Pfeife Tabak mit einem im

Herdfeuer entzündeten Span in Brand steckte,

und der Kleine drückte sich alsbald in scheuer Freude zur Türe hinaus. Thiel entkleidete sich, ging zu Bett und entschlief, nachdem er geraume

Zeit gedankenvoll die niedrige und rissige Stu-

17 Mittagbrot bereitete, hinaus auf die Straße, wo er

Tobiaschen sogleich aufgriff, der mit den Fin-

gern Kalk aus einem Loche in der Wand kratzte bei der Hand und ging mit ihm an den etwa acht

Spree, die schwarz und glasig zwischen schwach

belaubten Pappeln lag. Dicht am Rande des Was- sers befand sich ein Granitblock, auf welchen

Thiel sich niederließ.

erblicken. Die Kinder besonders hingen an ihm, nannten ihn »Vater Thiel" und wurden von ihm in mancherlei Spielen unterrichtet, deren er sich aus seiner Jugendzeit erinnerte. Das Beste jedoch von dem Inhalt seiner Erinnerungen war für To- flogen als die aller anderen Jungen. Er schnitt ihm Weidenpfeifchen und ließ sich sogar herbei, seines Taschenmessers die Rinde leise klopfte. es war ihnen unerfindlich, wie er sich mit den 18

Rotznasen so viel abgeben konnte. Im Grunde

durften sie jedoch damit zufrieden sein, denn die

Kinder waren unter seiner Obhut gut aufgeho-

ben. Überdies nahm Thiel auch ernste Dinge mit ab, half ihnen beim Lernen der Bibel- und Ge- sangbuchverse und buchstabierte mit den Klei- nen a-b-ab, d-u-du, und so fort. abermals zu kurzer Ruhe nieder. Nachdem sie beendigt, trank er den Nachmittagskaffee und begann gleich darauf sich für den Gang in den

Dienst vorzubereiten. Er brauchte dazu, wie zu

allen seinen Verrichtungen, viel Zeit; jeder Handgriff war seit Jahren geregelt; in stets glei- cher Reihenfolge wanderten die sorgsam auf der kleinen Nussbaumkommode ausgebreiteten Ge- dezahn, die alte, eingekapselte Uhr, in die Ta- schen seiner Kleider. Ein kleines, in rotes Papier eingeschlagenes Büchelchen wurde mit besonde-

Tage von ihm stets in der Brusttasche des Dienst-

19 rockes herumgetragen. Auf der Etikette unter dem Umschlag stand in unbeholfenen, aber ver- schrieben: »Sparkassenbuch des Tobias Thiel".

Die Wanduhr mit dem langen Pendel und dem

gelbsüchtigen Zifferblatt zeigte dreiviertel fünf, als Thiel fortging. Ein kleiner Kahn, sein Eigen- tum, brachte ihn über den Fluss. Am jenseitigen

Spreeufer blieb er einige Male stehen und

lauschte nach dem Ort zurück. Endlich bog er in einen breiten Waldweg und befand sich nach wenigen Minuten inmitten des tiefaufrauschen- den Kiefernforstes, dessen Nadelmassen einem schwarzgrünen, wellenwerfenden Meere glichen.

Moos- und Nadelschicht des Waldbodens. Er

fand seinen Weg, ohne aufzublicken, hier durch weiterhin durch dichtverschlungenes Jungholz, noch weiter über ausgedehnte Schonungen, die von einzelnen hohen und schlanken Kiefern

überschattet wurden, welche man zum Schutze

cher, durchsichtiger, mit allerhand Düften ge- 20 nen. Ein schwerer, milchiger Himmel hing tief lich ihre knarrenden Rufe ausstoßend. Schwarze

Wasserlachen füllten die Vertiefungen des We-

ges und spiegelten die trübe Natur noch trüber wider.

Ein furchtbares Wetter, dachte Thiel, als er aus

tiefem i Nachdenken erwachte und aufschaute. andere Richtung. Er fühlte dunkel, dass er etwas daheim vergessen haben müsse, und wirklich vermisste er beim Durchsuchen seiner Taschen das Butterbrot, welches er der langen Dienstzeit schlüssig blieb er eine Weile stehen, wandte sich

Dorfes zurück.

In kurzer Zeit hatte er die Spree erreicht, setzte zend, die sanft ansteigende Dorfstraße hinauf. auf der Straße. Auf dem geteerten Plankenzaune 21
spreizte die Federn, schüttelte sich, nickte, stieß sich mit pfeifendem Flügelschlag, um sich vom

Winde in der Richtung des Forstes davontreiben

zu lassen.

Von den Bewohnern der kleinen Kolonie, etwa

zwanzig Fischern und Waldarbeitern mit ihren

Familien, war nichts zu sehen.

Der Ton einer kreischenden Stimme unterbrach

willkürlich mit Laufen innehielt. Ein Schwall schlug an sein Ohr, die aus dem offnen Giebel- schienen, welches er nur zu wohl kannte. nun ganz deutlich die Stimme seiner Frau. Nur noch wenige Bewegungen, und die meisten ihrer »Was, du unbarmherziger, herzloser Schuft! soll sich das elende Wurm die Plautze ausschreien vor Hunger? - wie? - na, wart nur, wart, ich will dich lehren aufpassen! - du sollst dran denken." 22
geklopft würden; unmittelbar darauf entlud sich ein neues Hagelwetter von Schimpfworten. schnellsten Tempo herunter, »meinst du, ich soll- te mein leibliches Kind wegen solch einem

Jammerlappen, wie du bist, verhungern lassen?"

- »Halt's Maul!", schrie es, als ein leises Wim- kriegen, an der du acht Tage zu fressen hast."

Das Wimmern verstummte nicht.

zu zittern. Seine Blicke hingen wie abwesend am

Boden fest, und die plumpe und harte Hand

strich mehrmals ein Büschel nasser Haare zur

Seite, das immer von neuem in die sommerspros-

sige Stirne hineinfiel.

Es war ein Krampf, der die Muskeln schwellen

machte und die Finger der Hand zur Faust zu- sammenzog. Es ließ nach, und dumpfe Mattig- keit blieb zurück. 23
gen, ziegelgepflasterten Hausflur. Müde und langsam erklomm er die knarrende Holzstiege. man, wie jemand dreimal hintereinander mit al- len Zeichen der Wut und Verachtung ausspie. te folgten einander in steigender Betonung, und die Stimme, welche sie herausstieß, schnappte zuweilen über vor Anstrengung. »Meinen Buben tehst dich, das arme, hilflose Kind aufs Maul zuquotesdbs_dbs9.pdfusesText_15
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